Montag, 20. September 2010

Der lustigen Urteile zweiter Teil, oder: Richter als Dichter

Auch an meinem  "heimatlichen" Landgericht Baden-Baden weiß man bei der Urteilsabfassung die Versform zu schätzen, nachzulesen in einem Urteil vom 19.12.1955, Az.: Ps 7/55:

Sagt einer zum anderen ganz deutlich und barsch:
„Leck mich am Arsch!“
benimmt er gar nicht sacht sich
und es trifft ihn die Schuld nach StGB § 185.
Wird erwidert, der Arsch stinket nach üblen Düften
und er hänge hinaus ihn zum Lüften,
trifft zu hier ganz einzig
Strafgesetzbuch § 199.
So etwas ist unanständig und nicht fein,
trotzdem kommt es in Versform in die Gründe rein.
[...]
Wenn eine Beleidigung gleich auf der Stelle
erwidert wird mit des Mundwerks Schnelle,
dann kann es der Richter den beiden gewähren,
kann beide Beleidiger für straffrei erklären.
So tat’s mit Recht das Amtsgericht,
und so die Strafkammer auch spricht:
Das Wort des Götz von Berlichingen
ist keines von den feinen Dingen,
wenn man dies wechselseitig sagt,
am besten niemand sich beklagt!
Wer stets vom Recht das Rechte dächte
und sich nicht rächte,
dächte rechte.
Die Kostenlast dabei ergibt sich:
StPO-vierdreiundsiebzig.



In einem irrt der Richter allerdings, der sogenannte "Schwäbische Gruß", dem der Juristenkollege Johann Wolfgang von Goethe im dritten Aufzug  seines Schauspiels Götz von Berlichingen mit dem berühmten Götz-Zitat ein Denkmal setzte, lautet: „Er aber, sag's ihm, er kann mich im Arsche lecken!“.
Da sag' noch einmal jemand, dass Juristen nicht immer das letzte Wort haben müssen (außer im Strafverfahren, da steht es dem Angeklagten zu).

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