Samstag, 9. Oktober 2010

Aus den Tiefen des World Wide Nepp

Ist doch tatsächlich einer meiner Mandanten auch auf eine der unzählichen ABo-Fallen im Internet hereingefolgen und hat jetzt sogar Post von einem Inkassounternehmen bekommen, das auch gleich ein stattgebendes (?) Urteil in Kopie beigefügt hat.

Das Urteil selbst ist aber sehr interessant zu lesen.

Steht da doch in den Urteilsgründen zu lesen: „denn der Kläger hat selbst vorgetragen, auf der Internetseite der Beklagten finde sich seitlich des Anmeldeformulars ein Hinweis auf die Kostenpflicht bei Drücken des Buttons “Jetzt anmelden”, welchen er jedoch nicht wahrgenommen habe.”

Weiter heißt es dann sogar: „Zudem ergibt sich, sogar nach Klägervortrag, ein weiterer Hinweis auf die Kostenpflicht aus den AGB der Beklagten”

Natürlich war auch die Widerrufsfrist abgelaufen, bevor widerrufen und geklagt wurde - zu Schade dass der Kläger nicht auch noch die wirksame Widerrufsbelehrung vorgetragen hat.

Ein unbedarfter Betrachter könnte auf die Idee kommen, dass der Kläger das Verfahren verlieren wollte, damit später entsprechenden Inkassoschreiben eine Urteilskopie beigefügt werden kann um vermeintliche Schuldner zur Zahlung zu bewegen. Honi soit qui mal y pense.

Ich selbst würde selbstverständlich nie auf diese Idee kommen, denn so etwas tut man natürlich nicht.

Zahlen wird mein Mandant trotzdem nicht, gemein wie ich bin, habe ich ihm dringend davon abgeraten.

Freitag, 8. Oktober 2010

Der lustigen Urteile vierter Teil, oder: Als die K.... am dampfen war

Ein Urteil, abgedruckt in der NJW 1990, S. 1972 verbindet Rechtsgeschichte und Poesie.
Eine Entscheidung die in Ihrer Diktion noch vom alterhrwürdigen Reichskammergericht repektive dem historischen Kammergericht in Berlin abgefasst haätte sein können und dazu auch noch in Reimform.


Wenn es auch von der behandelten Thematik nicht an das Nibelungenlied heranreicht und der Dichter auch kein Wolfram von Eschenbach ist, bleibt als Fazit aber doch - wie die südlichen Nachbarn in der Schweiz - zu sagen: Chapeau! 

Ambtsgericht Schoeneberg 16 D 370/89
 

IM NAMEN DES VOLCKES
 

ich verkuendt, in dem rechtsstreyt, wo die parteyen sind, A
M, 1000 Berlin, als verfuegungsclagerin, als procuratores
sie sich die advocati B., 1000 Berlin, gewinn, gegen C....
1000 Berlin, der verfuegungsbeclagten, streytent mit den
advocati D… 1000 Berlin, den unverzagten: als inhaber
der abtheylung 16 am Schoeneberger Ambtsgericht, krafft
meines ambtes und meiner pflicht, auff die muendlich
verhandlung vom 14ten Juley des 1989ten A. D., fuer
recht ich folgendes erseh:
1. Unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom
26.6.1989 wird der Antrag auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin
darf die Vollstreckung der Beklagten durch
Sicherheitsleistung von 400 DM abwenden, sofern
nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.


Eyn kurtzweylig spil von zwo fraw’n
die sich vor gericht thun haun
und dorch merer hauffen coth
kament in die hoechste noth
Wer auff dem lande oder in der stadt
eynen hund zu halten hat,
der sey wol darauff bedacht,
daß das thier keyn unru macht,
wer aber hierzu nit bereyt,
der hat nur groz schad und leyt.
Erzelen will ich lu drumb von zwo frawen,
die dorch eynen ungezognen hund,
zestritent warn zestund,
daß Ir dran kunnet wol erschawen,
wie obgemelte ler wuerckt um,
in eynem feyn exempulum.
Die parteyen wonent als mieter in eym hauß,
die clagerin under der beclagten,
mit zween nachbaurten gaerten,
zu den furet eyn terassen naus,
die gaerten geschiedent dorch eyn kleyn zaun,
die terrassen gemeysam genuczet von den frawn.
Die clag’rin eynen hund sich haelt,
der bar der czwenge diser weld,
nit wissend, was ist meyn und deyn,
kert in den garten der beclagten eyn,
uber den zaun und die terassen,
wie es im grad wol thett passen.
Das thier duencket zu haben eyn kunstsinn,
gleychsam als sey es Joseph Beuys,
jedtags schaffend etwan neus,
pfercht es seyne merdrums hin,

braun, groz und voller dufft gar schoen,
hat die nachbaurin eyn denckmal ste’n.
Doch uber kunst seyt alter zeytt,
die weld, die stet im widerstreyt,
die beclagte hier nun voll verdruß,
empfuendet dis als aergernuß;
und eynen hoehern zaun – anstat des alten – sie
setzen laeßt
der theylet garten und terassenpodest.
Die parteyen lerer sind,
und lerer habent immer recht,
wenn aber zween irer andrer meynung sind,
so geht das leyder schlecht,
drumb suchent sie die weysheyt bey gericht,
auff daß es eyn gut urtheyl ticht.
Denn wer uber alles entscheyden thett,
von den er keyn ahnung hett,
der ist grad der richtig man,
der dise sach entscheyden kann.
und wer im staate hat ein ambt,
der hat dazu auch den verstandt.
Die clagerin eyligst undersaget haben will,
– von ires hundes unthat sie schweygt fein still –,
daß die beclagte ein’ zaun zyhen lasst,
der nit irem willen paßt,
und das gericht dorch beschluß zestund,
das begehrt’ verbot thett kund.
Die beclagte hett dem widerseyt,
die clagerin will, daß der beschluß so bleybt,
die beclagte antraegt, disen wieder zu cassirn und die
clage abzuschmiern.

In behuf des weytern parteygeczaenck
man den blick in die acten lenk.
Und das gericht alhier spricht,
die clagerin enhat den anspruch nicht.
Die beclagte zwar mit fuersatz stoeret,
den besitz, der auch der clagerin gehoeret,
an der terassen und dem zaun,
so daß die beclagte nach acht sechs eyns BGB muß
in abbaun,
ganz gleych ob’s zerecht oder unrecht geschicht,
auch mit erlaubnuß des vermieters darf man
enstoeren nicht.
Jedoch in acht funf neun BGB es heyßt,
wenn ein hund in nachbaurs garten scheyßt,
so darff sich diser des erwern,
denn dis thett in im besitze stoer’n,
und darff der mittel wuerckung nuczen,
die im in dem besitz thun schutzen.
Die beclagte also eynen zaun darff zyhen lan,
uber den der hund nit springen kann.
und dabey den alten abbaun,
damit der neu erstellte zaun,
nit alleyn auf irem grundstueck steh,
und ir eyn stueck besitz abgeh.
Die clag’rin sprach nun zur beclagten keck:
„Kümmere Dich um Deinen eigenen Dreck!“
Jedoch sind des boesen hunds merdrums,
die fruechte ires eigentums,
und g’hoern nach neun funf drei des BGB,
dem, dem das eygen an dem hund zusteh.
Auch wenn die clagerin dise nit will haben,
zudem sich deroselben derelinquiret,

indes die beclagte die unthat fotographiret,
dise weret sich solcher gaben,
so daß weder eigen noch besitz,
die beclagt’ sich hier ersitz.
Und die moral des spils nun werd kund,
wer sich haltet eynen hund,
der muß in gar wol erziehn,
und auch reychlich gassi gehn,
dann wird das thier verrichten seyn geschefft,
wo es nit den andren nachbaurn trefft.
Der costenausspruch folgt, ich meyn’s
aus der ZPO neun eyns,
und damit die beclagt’ in kann auch executiern,
thu ich aus der ZPO 708 nummero 6 und 711 satz 1
citieren,
dieses urtheyl ward geticht,
von Richter Rittner
bei Schoenebergens Ambtsgericht.
Berolina, 14umJulii A:D: MCMLXXXIX
Rittner
manu propria
iudex apud praeturam Schoenebergensis

Stuttgart 21, Sankt-Nimmerlein und die Alte Fasnacht

Heiner Geißler, promvierter Jurist und kurzzeitig als Amtsrichter in Stuttgart, wurde zwischenzeitlich als Schlichter für das streitige Projekt Stuttgart 21 eingesetzt.
Jetzt hat er geäußert, er wolle die Schlichtung nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag andauern lassen, sondern bis Jahresende zu einem Ergebnis kommen.

Aber, aber, Herr Kollege?
Lesen Sie etwa nicht diesen Blog?
Sankt Nimmerlein ist doch schon am 01.11.2010!

Da heißt es aber, sich ranhalten!

Interessant auch, das mit jahrelanger Verspätung in Stuttgart der Aufstand geprobt wird. Das hätte man mal lieber machen sollen bevor entsprechende Beschlüsse gefasst waren.
Im Badischen nennt man das so schön "hinterher kommen wie die alt' Fasnacht".

Die "Alte Fasnacht" bzw. "Bauernfasnacht" steht im Gegensatz zur "Herrenfasnacht". Die "Alte Fasnacht" kommt dadurch zustande, weil Fastenzeit und Ostertermin zusammengehören.
Ostern ist seit alters her ein beweglicher Feiertag, der am ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond begangen wird. Die Fas(t)nacht soll vor dem Fasten gefeiert werden, das 40 Tage vor Ostern üblicherweise begann. 1091 aber nahm man die Sonntage der Fastenzeit vom Fasten aus (Sonntage sind keine Fasttage), beließ es aber bei den 40 Fasttagen. An Ober- und Hochrhein hielt man an der Tradition fest, wodurch nun eine "alte Fasnacht" entstand gegenüber dem neu festgelegten Termin. Die Anhänger der "alten Fasnacht" waren im Vergleich zu dem sonst gefeierten Termin immer zu spät dran.

Wir haben hier übrigens auch einmal den Aufstand geprobt. Das war 1848-1849 und nannte sich "Badische Revolution".
Weil wir Badener die Republik ausgerufen hatten und die Demokratie einführen wollten. Da sind wir bis heute stolz drauf.

Das Königreich Württemberg hat damals den Preußen Truppenhilfe geleistet um den Aufstand niederzuschlagen.
Da kann man von Glück reden, dass es 160 Jahre später nicht anders herum läuft und wir so liebe Nachbarn sind.

Dienstag, 5. Oktober 2010

Der lustigen Urteile dritter Teil, oder: Ausgerechnet Bananen

Europäischer Gerichtshof, Urt. v. 14.2.1978 - Rs. 27/76 (United Brands/Kommission)
Fundstelle: Slg. 1978, 207, 282 Rn. 23/33

Die Banane reift unabhängig von den Jahreszeiten das ganze Jahr hindurch. Die Produktion übersteigt die Nachfrage während des ganzen Jahres und kann diese jederzeit befriedigen. Diese Besonderheit macht aus ihr eine bevorzugte Frucht, deren Produktion und Absatz sich an die bekannten und meßbaren jahreszeitlichen Schwankungen anderen frischen Obstes anpassen lassen. Es gibt keine erzwungene jahreszeitliche Substitution, denn der Verbraucher kann sich die Frucht das ganze Jahr hindurch beschaffen. Da die Banane jederzeit in genügenden Mengen verfügbar ist, muß man, urn das Ausmaß des zwischen ihr und anderem frischen Obst bestehenden Wettbewerbs zu ermitteln, ihre Austauschbarkeit mit anderem Obst für das ganze Jahr beurteilen. Aus den zu den Akten gereichten Untersuchungen über den Bananenmarkt ergibt sich, daß auf diesem keine spürbare langfristige Kreuzelastizität besteht, ebenso wie es eine jahreszeitliche Austauschbarkeit nicht zwischen der Banane und allen Saisonfrüchten allgemein, sondern nur zwischen ihr und zwei Obstsorten (Pfirsichen und Tafeltrauben) in einem Lande des relevanten räumlichen Marktes (Deutschland) gibt. Was die beiden das ganze Jahr hindurch verfügbaren Früchte (Apfelsinen und Äpfel) anbelangt, so besteht mit der ersten keine Austauschbarkeit und nur eine begrenzte Austauschbarkeit mit der zweiten. Dieser sehr geringe Grad an Austauschbarkeit beruht auf den spezifischen Eigenschaften der Banane sowie auf allen Faktoren, die die Verbraucherentscheidung beeinflussen. Die Banane ist durch ihr Ansehen, ihren Geschmack, ihre weiche Beschaffenheit, das Fehlen von Kernen, eine einfache Handhabung und ein gleichbleibendes Produktionsniveau geeignet, den gleichbleibenden Bedarf einer bedeutenden, sich aus Kindern, Alten und Kranken zusammensetzenden Bevölkerungsgruppe zu befriedigen.

Noch Fragen ???

Sonntag, 3. Oktober 2010

Zum Nationalfeiertag

Dass auch Nichtjuristen herausragende Dichter sein können beweist Bertolt Brecht einmal mehr.
Seine 1950 als Gegenstück zu den Nationalhymnen der beiden damals noch existierenden deutschen Staaten entstandene Kinderhymne, steht mit beiden auf gleicher Stufe.

Anmut sparet nicht noch Mühe
Leidenschaft nicht noch Verstand
Daß ein gutes Deutschland blühe
Wie ein andres gutes Land.

Daß die Völker nicht erbleichen
Wie vor einer Räuberin
Sondern ihre Hände reichen
Uns wie andern Völkern hin.

Und nicht über und nicht unter
Andern Völkern wolln wir sein
Von der See bis zu den Alpen
Von der Oder bis zum Rhein.

Und weil wir dies Land verbessern
Lieben und beschirmen wir's.
Und das liebste mag's uns scheinen
So wie andern Völkern ihrs.


Es sei auch eine kleine Anmerkung zum Nationalfeiertag gestattet.
Eigentlich ist der Text der Nationalhymne im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland entstanden.
Als August Heinrich Hoffman von Fallersleben 1841 auf Helgoland das Lied der Deutschen dichtete gehörte die Insel nämlich noch zum Empire und wurde erst mit dem Helgoland-Sansibar-Vertrag vom 01.07.1890 dem deutschen Kaiserreich einverleibt.
Zu diesem Zeitpunkt war allerdings  "Heil Dir im Siegerkranz" deutsche Nationalhymne, unter legt mit der Melodie von "God save the Queen".

Zufälle gibt's, die gibt's gar nicht ....